Sachantrag der Bunten Linken zu TTIP/CETA

 Am 16. Oktober hat die Bunte Linke mit der Unterstützung der Grünen im Gemeinderat einen Sachantrag zu TTIP/CETA eingereicht.

Der Gemeinderat möge beschließen:

Resolution des Heidelberger Gemeinderates zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP)

Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP), das derzeit zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelt wird, ist von enormer politischer Tragweite. Es betrifft direkt oder indirekt  fast alle Lebensbereiche. Dieses Freihandelsabkommen wird derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Europäischer Kommission und den USA ausgehandelt. Der Inhalt des paraphierten Freihandelsabkommens mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA), das als Vorlage zu TTIP gilt, liegt inzwischen vor. Seit wenigen Tagen liegt auch das Verhandlungsmandat für TTIP vor. Beide Papiere geben zu begründeten Befürchtungen Anlass, dass durch diese Freihandelsabkommen europäische Standards im Arbeits- und Sozialrecht, im Umwelt- und Verbraucherschutz, beim Daten- oder Verbraucherschutz in Frage gestellt werden und dass Investoren vor internationalen Schiedsstellen deutsches und europäisches Recht und demokratische Entscheidungen von Bund, Land und Kommunen aushebeln können.

Die Verträge umfassen zahlreiche Bereiche der  kommunalen Daseinsvorsorge, etwa das öffentliche Auftragswesen, die Energiepolitik, den Umweltschutz und die Trinkwasserversorgung, aber auch kulturelle und soziale Einrichtungen. Aus diesem Grund bezieht die Stadt Heidelberg zu diesen Abkommen Stellung:

1. Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg hält die Intransparenz der Verhandlungen zu TTIP für inakzeptabel. Er fordert die Bundesregierung, die Europäische Kommission und den Europäischen Rat auf, sich dafür einzusetzen, dass die grundlegenden Verhandlungsdokumente des TTIP veröffentlicht, die Parlamente und die Öffentlichkeit über den Verlauf der Verhandlungen im Detail informiert werden. Vor einer Ratifizierung im Bundestag und im Europäischen Parlament werden die Verträge den kommunalen Spitzenverbänden zur Prüfung vorgelegt. Die Verbände erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme.

2. Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg fordert die Bundesregierung, den Bundestag und das Europäischen Parlament auf, die Verträge abzulehnen, wenn dadurch

  • der universelle Zugang zu Diensten der öffentlichen Daseinsvorsorge in Gefahr gerät,
  • Investitionsschutzklauseln enthalten, die es internationalen Firmen ermöglichen, Bund, Land und Kommunen wegen entgangener Gewinne zu verklagen, wenn diese neue Standards in ökologischen oder sozialen Bereichen beschließen,
  • außergerichtliche Schiedsstellen eingerichtet werden, die für solche Verfahren zuständig sind und das Verfahren unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit durchführen sollen,
  • ein hohes Niveau im Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Europa nicht mehr gewährleistet ist oder ein Vormarsch der grünen Gentechnik zu befürchten ist,
  • die fortschrittliche europäische Gesetzgebung zum Schutz der Umwelt und des Klimas infrage gestellt wird,
  • die aktuell geltenden Standards im Bildungsbereich, im Arbeitsrecht oder in der Sozialgesetzgebung gefährdet sind,
  • die europäische Vielfalt im Kulturbereich in Gefahr gerät,
  • der bestehende Datenschutz ausgehebelt wird,
     
  • künftigen Generationen Handlungsspielräume bei der Gestaltung eines sozial gerechten und nachhaltigen Europas genommen werden.

3. Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg begrüßt ausdrücklich den Beschluss des Deutschen Städtetags vom 12. Februar 2014 zum TTIP und den Beschluss der kommunalen Spitzenverbände vom Oktober 2014 und schließt sich diesen Beschlüssen an.

Begründung:

Demokratie und Transparenz

Die Verhandlungen zu allen drei Abkommen fanden und finden als Geheimverhandlungen statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nicht einmal die EU-Abgeordneten haben uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten. Und obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände (in Deutschland der Städte- und Gemeindetag, sowie der Landkreistag) nicht in die Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht demokratischen Standards. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verhandlungen über die Verträge so frühzeitig und in einer Art und Weise erfolgen, dass  eine Mitgestaltung möglich ist. 

Investitionsschutz für Konzerne

Bei TTIP und CETA erhalten internationale Konzerne ein Sonderklagerecht gegen demokratisch beschlossene Gesetze. Die Klagen werden vor privaten Schiedsgerichten nichtöffentlich verhandelt. Diese stellen eine Paralleljustiz dar, die grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als demokratisch gewählte Regierungen. Auch Beschlüsse von Gemeinden können Anlass für solche Klagen sein. Dies würde dazu führen, dass sich die politischen Gremien von Städten und Gemeinden bei jedem Beschluss überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage gegen den Staat auslösen könnten.

Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen

In den Abkommen wird geregelt, welche Dienstleistungen von den Städte und Gemeinden erbracht werden dürfen und welche dem Wettbewerb unterliegen müssen. Dies kann nahezu alle bisher öffentlichen Dienstleistungen umfassen. Die EU schließt bisher nur hoheitliche Bereiche aus. Das bedeutet, dass z.B. Bereiche wie Wasserversorgung, Bildung, Kultur, Gesundheitsleistungen oder Nahverkehr verstärkt für Privatisierungen geöffnet werden könnten. Zudem wird die Bevorzugung regional tätiger Anbieter bei öffentlichen Aufträgen erschwert bzw. verunmöglicht, da von einem bestimmten Schwellenwert an Aufträge nicht nur EU-weit, sondern auch im Land des Vertragspartners ausgeschrieben werden müssen. Hiermit wird die Handlungsautonomie der Kommunen drastisch eingeschränkt.

Standstill- und Ratchet-Klauseln

Freihandelsabkommen enthalten in der Regel sowohl eine Stillstand- wie auch eine Ratchetklausel. Eine Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder aufgehoben werden darf. Eine Rachtklausel besagt, dass zukünftige Liberalisierungen eines Sektors automatisch zu neuen Vertragsverpflichtungen werden. Ein staatliches Unternehmen (wie etwa die Stadtwerke), das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, könnte so niemals wieder rekommunalisiert werden darf. Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass - aus guten Gründen - zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter wieder rückgängig gemacht wurden. Die Abkommen würden die Rückführung einmal privatisierter Leistungen in die öffentliche Hand für immer unmöglich machen.

 

Heidelberg, den 5.10.2014                                    Arnulf Weiler-Lorentz, Hilde Stolz

 

Anhang:

Beschluss Deutscher Städtetag (pdf)

Beschluss der kommunalen Spitzenverbände (pdf)

Entwicklung der Schiedsverfahren zwischen Internationalen Großkonzernen und Staaten durch Investitionssicherungsklauseln in Freihandelsabkommen (pdf)

 

 

17.10.2014